Regina Weiss/Bewegung


Regina Weiss sieht sich als politische Künstlerin, auch wenn sie den Begriff ‘Politik’ mit seinen verschiedenen Ausdeutungsmöglichkeiten als schwammig bezeichnet. Die Politik mit ihren komplexen Zusammenhängen schließt das Beschäftigen mit Geschichte ein. Hier setzt Regina Weiss an. Als geschichtsbewusste Künstlerin begreift sie historische Vorgänge jedoch nicht als abstrakte Faktensammlung, sondern als Substrat individuell erlebter Vergangenheit. Hier folgt sie einer Tendenz, die durchaus auch in den Geschichtswissenschaften selbst zunehmend wirksam geworden ist.

Weiss’ Thema ist die Identität des Einzelnen und dessen Selbstdefinition im Bezug zur Gesellschaft. Eine Möglichkeit, sich dem künstlerisch anzunähern, Identität gleichsam zu verbildlichen, ist die Nachahmung von Gesten und entsprechenden Bekleidungscodes, welche der äußerlichen Bestimmung der Gruppenzugehörigkeit dienen, dem Einzelnen aber als frei gewählter Ausdruck seiner Individualität erscheinen.

In der Arbeit Bewegung (2005/06) wird die Antiatom- und Friedensbewegung der 80er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland sowie die oppositionelle Bewegung der ehemaligen DDR zum Untersuchungsfeld. Weiss agiert hier mit den Mitteln der sozialen Forschung, einer künstlerischen Crossover-Strategie. Sie bearbeitet ihr Material dann weiter, indem sie nach der Recherche von historischen Zeitungsartikeln und anderen Quellen typische Körperhaltungen und Gesten von Statisten nachstellen lässt und in einem Video dokumentiert. Weiss sucht hier die Beziehung von äußerer und innerer Haltung zu ergründen. Aus den im Video entwickelten Posen entstehen schließlich inszenierte Fotografien. Vor einem neutralen weißen Hintergrund mit übergroßen Accessoires ausgestattet, wirken die Statisten sich selbst entfremdet und befremdlich. Herausgelöst aus Zeit und Ort, werden sie zu tragikomischen Versatzstücken und Verweisen.


Text: Susanne Greinke